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Das Leipaer Kaiserpanorama

Das Kaiserpanorama

Über die Website unseres Vereins kam kürzlich eine Anfrage zu mir, ob wir etwas von den Nachkommen der Familie Mattauch aus Böhmisch Leipa wissen und ob wir bei der Suche helfen könnten.

Wie immer nahm ich zuerst mein Einwohnerverzeichnis von 1935 zur Hand und schon fand ich einen Eintrag: Mattauch Anna, Panoramainhaberin, Postgasse 275. Frau Anna Mattauch war auch die Besitzerin des Hauses.

 Aber was ist eine „Panoramainhaberin“??

In meinen vielen Unterlagen fand ich dazu keine Aufzeichnungen, bis mir unser Freund Tomáš Cidlina in Leipa einfiel, der eigentlich immer alles weiß. Und so war es dann auch. Er schrieb mir, dass es in Leipa ein Kaiserpanorama gab, früher auf der Töpfergasse Nr. 350, gegenüber vom Gasthaus „Zum roten Hirsch“ und später auf der Postgasse Nr. 275, welches der Familie Mattauch gehörte.

Das Kaiserpanorama

Kaiserpanorama

Der Erfinder des „Kaiserpanoramas“ war der deutsche Physiker und Unternehmer August Fuhrmann (1844 – 1925), der die Stereokoskopie als Möglichkeit zur Bildung und Unterhaltung erkannt hatte. Er konstruierte einen hölzernen „Guckkasten“ in welchem sich stereoskopische Glasbilder in einem Rundgang automatisch bewegten. Die farbigen Bilderserien konnten Zuschauer – bis zu 25 Personen gleichzeitig – durch ein „Guckloch“ betrachten und bestaunen, da hauptsächlich Bilder von exotischen Reisezielen und schönen Landschaften gezeigt wurden. Der Umlauf der Bilderserien dauerte eine halbe Stunde. Gezeigt wurden Serien von Japan, Wien, Venedig, von den Badeorten am Schwarzen Meer, vom Rhein mit seinen Burgen und noch viele viele mehr. Die Bilderserien wechselten wöchentlich und wurden als „Kunstwerke ersten Ranges“ beschrieben.

 

Eröffnung einer Zentrale

Das erste Kaiserpanorama eröffnete August Fuhrmann 1880 in Breslau und da sich ein Erfolg dieser Vorführungen abzeichnete, eröffnete er 1883 in Berlin die Zentrale seines Panoramaunternehmens und gründete von dort aus weitere Filialen. Die erste Filiale in der Monarchie wurde im Wiener Prater errichtet. Im Jahr 1910 soll es schon in 250 Städten ein Kaiserpanorama gegeben haben, der Vorrat an stereoskopischen Bildern war auf mehr als 100.000 angestiegen!

Stereoskopisches Glasbildchen © Tomáš Cidlina

Für die Belieferung der einzelnen Vorführstationen wurde eine sogenannte Ringleihe organisiert. Die Glasbilder wurden in eigenen Transportkisten zu je 25 Stück verpackt und gingen in wöchentlichen Interwallen auf die Reise. 500 verschiedene Bilderserien waren im Umlauf.

Eine wirkliche Erfolgsgeschichte!

 

 

Die Konkurrenz – das Kino

Erst die Erfindung der Kinematographie machte dem erfolgreichen Kaiserpanorama ernsthafte Konkurrenz. Die wirtschaftlichen Erfolge der Panoramaunternehmen verschlechterten sich zusehends und so trennte sich August Fuhrmann 1923 von seinem Lebenswerk. Ein Konsortium „Weltpanorama AG“ übernahm die Agenden und belieferte die bestehenden Filialen.  Die Einführung des Tonfilms brachte dann für die meisten Panoramafilialen das endgültige Aus.  Heute kann man die einst so beliebte Erfindung noch in einigen Museen bewundern.

Das Kaiserpanorama in Böhmisch Leipa

Die Besitzer des Leipaer Kaiserpanoramas war also die Familie Mattauch, zuerst Friedrich Mattauch, später Josef Mattauch auf der Töpfergasse 350 und dann auf der Postgasse 275 Frau Anna Mattauch. Da hat das Kaiserpanorama aber schon Weltpanorama geheißen.

Reklame Weltpanorama

Unsere Heimatfreundin Dr. Helga Wilms ist in Leipa auf der Zink-Gasse aufgewachsen und sie erinnert sich, dass sie gerne auf die Postgasse zum Panorama – Guckkasten gegangen ist.

Der Guckkasten war im Erdgeschoss des Hauses in einem nicht allzu großen Raum untergebracht, den er fast ausfüllte. Ein rundes braunes Ungetüm in den Kinderaugen der damals 10jährigen Helga!!

Man saß auf hohen Stühlen, die wie Barhocker aussahen, auf die man mit Hilfe einer Sprosse hinaufklettern konnte. Den Kindern musste noch ein Polster untergelegt werden, damit sie durch das Guckloch schauen konnten. In ihrer Erinnerung konnten höchstens acht Personen gleichzeitig die Bilderserien ansehen. Eine Runde kostete für Erwachsene 20 Heller, für Kinder 10 Heller, wie in der Reklame zu lesen ist.

Im Leipaer Museum sind einige Bilderserien und Transportkistchen erhalten geblieben, auch ein Foto des Weltpanoramas. Es ist aber nicht eindeutig, ob es das Leipaer Panorama der Familie Mattauch zeigt. Thomáš Cidlina wird das für uns noch ausfindig machen. Darauf freuen wir uns und bedanken uns schon jetzt.

Ich bin immer wieder überrascht, was es in Leipa alles zu entdecken und zu bestaunen gibt. Wenn sich noch jemand an dieses Panorama erinnern kann, dann darf ich sehr herzlich um einen kurzen Bericht darüber bitten. Vielen Dank.

Ingeborg Buchner, Wien

 

 

 

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