Der Rollberg bei Niemes mit seinem spitzen Lavakegel und seinen bizarren Steinhängen gibt der ganzen Landschaft das Gepräge. Auf seinem Gipfel liegen die Trümmer einer alten, verfallenen und vermoderten Ruine, von der man Schlimmes zu erzählen weiß.
Am Ausgang des Mittelalters, damals, als das Rittertum verfiel und seine Angehörigen verarmten, stand auf dem Roll eine stolze Burg, deren Herr sich und sein Gesinde ausschließlich von Plünderungen und Raubzügen ernährte. Unterhalb des Rollberges ging eine große Handelsstraße vorbei, die Straße von Zittau nach Prag, und die Kaufleute, die hier friedlich vorbeizogen, mussten immer eines Überfalls gewärtig sein, der sie nicht selten außer ihrer Habe auch das Leben kostete. Im Hungerturm der Rollburg verbrachte mancher angesehene Kaufherr in Elend und Verzweiflung seine letzten Tage. Der Raubritter forderte hohe Lösegelder, und wessen Angehörige sie nicht zahlten oder nicht aufbringen konnten, der musste eines elenden Todes sterben.
Am meisten hatten freilich die schlichten Bauern der Umgebung unter dem räuberischen Treiben zu leiden – der Ritter und sein gottloses Gefolge stahlen ihnen das Vieh von der Weide und die hart erarbeiteten Taler aus Taschen und Truhen. So reifte allmählich ein vortrefflicher Plan in den Hirnen der Landbevölkerung, der ihnen Befreiung und Rache für die erlittene Unbill bringen sollte.
Mit folgender List gedachten die Bauern in die wohlverschlossene und gut gesicherte Burg einzudringen. Es war allen wohlbekannt, dass der Burgherr eine große und wohlgenährte Kuhherde besaß, die am Tage auf den Wiesen um den Rollberg herum weidete und am Abend in ihre Stallungen hinter der Burgmauer gebracht wurde.
Diese Kühe hatten große, weithin bimmelnde Glocken um den Hals, und sobald der Torwart das vielfache Läuten der Kuhglocken hörte, öffnete er das Tor, um das nützliche Vieh für die Nacht herein zu lassen. Darauf baute der Plan der Bauern. Sie hatten vor, sich der friedlich grasenden Kühe zu bemächtigen, ihnen die Glocken abzunehmen und mit Hilfe ihres Geläutes die Burgwächter zu täuschen.
Gedacht, getan. Die Bauern zogen, mit Knüppeln und Stangen bewaffnet, dem Rollberg zu, trieben die Kühe weg und hängten sich deren Glocken um den Hals. Als die Torwächter das vertraute Gebimmel hörten, öffneten sie das Burgtor und wurden im Handumdrehen von der ergrimmten Menge überwältigt. Der Burgherr, der von dem Überfall nichts ahnte, wurde mitsamt seinem räuberischen Gesinde niedergemacht und die Burg an allen vier Ecken angezündet und zerstört.
Sie wurde nie wieder aufgebaut, und die letzten Mauerreste unterliegen immer mehr dem Zugriff der Zeit und ihrer langsamen, aber um so sicheren Zerstörung.
Quelle: Margarete Kubelka, Die schönsten Sagen aus dem Sudetenland, Aufstieg – Verlag Landshut, 8. Auflage 2003